Reflexion über pädagogische Macht – erste Erfahrungen

Warum beschäftigen sich junge Erwachsene mit der Reflexion pädagogischer Macht?

Bei Beteiligungsfüchse, dem Träger der Jugendhilfe in dem auch Piri und Kadir mit anpacken, ist man schon länger damit unterwegs sich nach Methoden und Konzepten umzusehen, die es möglich machen die eigene pädagogische Haltung in der Arbeit mit Kindern u. Jugendlichen zu reflektieren. Reflexion scheint der Schlüssel zu sein, auch eine konstruktive pädagogische Beziehung zu entwickeln, die es möglich macht, junge Menschen auf die Herausforderung einer “Demokratie von morgen” vorzubereiten. Befu hat mit seinen Angeboten zur pädagogischen Weiterentwicklung von Organisationen und Einrichtungen einen Schwerpunkt in der Vermittlung demokratiepädagogischer Konzepte, Methoden und Ansätzen in denen die Stärkung von Selbstwirksamkeitserfahrungen in den pädagogischen Beziehungen eine zentrale Rolle spielt. Aus diesem Grund ist für Befu die Mitarbeit und die Nutzung der Reckahner Reflexionen, die gut eine wertebasierte Grundlage für die Arbeit in pädagogischen Settings darstellt ebenso wichtig, wie die Möglichkeit auf Methoden zurückzugreifen, die es möglich machen biographische Ressourcen und Herausforderungen jedes Einzelnen Mitglied eines pädagogischen Teams in Workshops und Weiterbildungsseminaren in den Blick nehmen zu können. 

Seit Anfang des 20221 arbeiten wir bei Befu dabei mit einer breiten Methodensammlung, die genau das möglich machen soll und in unterschiedlichsten Bereichen der Beziehungen zwischen pädagogisch Tätigen und denen, mit denen sie arbeiten, die Qualität der pädagogischen Beziehungen zu reflektieren. Dabei geht es in erster Linie um die Reflexion pädagogischer Macht. 

Als Piri und Kadir davon hörten, dass wir im Träger intern dazu eine Weiterbildung anbieten wollen, haben sie sich sofort dazu entschlossen, sich daran zu beteiligen. Ihnen war es wichtig dabei zu sein und sie ließen sich auch nicht davon abbringen, als sie wussten, dass alle anderen Teilnehmenden der Fortbildung Menschen sind, die verschiedenste pädagogische Ausbildungen und Vorerfahrungen mitbringen, bzw. teils schon lange als Fortbildner:in und als Workshopleitende tätig sind. 

Rückblickend beschreiben beide die 6-tägige Fortbildung als ein für sie wichtiges Schlüsselerlebnis und eine ganz neue und intensive Anregung sich mit der eigenen Biographie auseinanderzusetzen, neue Perspektiven auf ihre eigenen Beziehungen in Familie, Freundeskreis und vor allem auch in ihrem Engagement bei Befu zu erhalten. Kadir sagt: “Ich bin davon überzeugt, dass diese Methoden unsere persönliche Entwicklung, aber auch die Entwicklung der Kinder, mit denen wir zusammenarbeiten, effektivst fördern. Außerdem ist uns bewusst geworden, dass diese Art der Fortbildung unbedingt verbreitet werden sollte. Damit kann wirklich etwas gegen Kindeswohlgefährdungen getan werden. Präventiv gesehen ist die Fortbildung ein voller Gewinn für die demokratiepädagogische Arbeit von Befu und umso mehr Ehrgeiz stecken Piri und ich in das Thema.”

Die positiven Effekte zeigen sich im Übrigen auch in der sportorientierten Jugendarbeit, die die Jungs mit einem ganz speziellen Fußballprojekt voranbringen. 

Planungs- und Reflexionsfahrt von “Den Beteiligern” der Beteiligungsfüchse gemeinnützige GmbH (Befu)

Nach der Erfahrung der Fortbildung bei Befu war es naheliegend, dass unsere Partizipationslotsen Kadir und Piri aus dem Jugendprojekt “Die Beteiligter” ihr neues Wissen auch mit den anderen jungen Menschen aus dem Jugendarbeitsprojekt bei Befu teilen wollten. Und sie waren auch bereit, sich dafür noch viel tiefer in Materialien und Methoden einzuarbeiten, als es bis dahin der Fall war. Zudem war die Idee geboren ganz allgemein mit den Inhalten auch junge Menschen zu erreichen, die das erste mal in die Situation geraten für andere jungen Menschen pädagogische Angebote zu gestalten. Eine weitere naheliegende Zielgruppe für die jungen Menschen waren Vereinstrainer:innen, die u.a. im Kooperierenden Sportverein TSV-Wittenau 1896 bereits sehr innovative Arbeit zur Etablierung eines wirksamen Kinderschutzkonzepts im Sport anbieten. 

Mit dem Wunsch, das eigene Wissen zu vertiefen und an andere weiterzugeben, wurde nun ein Projektantrag beim Jugenddemokratiefond der Stiftung Jugend und Familie in Berlin gestellt. Dieser konnte auch sofort eine Bewilligung erhalten. 

Damit ging es an die Ausgestaltung mit der zunächst auch die anderen jungen Menschen in unserer Jugendarbeit Einblick in das Thema der Reflexion pädagogischer Macht erhalten sollten und zwar zunächst mit Methoden, die vor allem Machtunterschiede in Teams in den Blick nehmen konnten. In diesem Rahmen war es gut möglich Erfahrungen in der doch schon anspruchsvollen Workshoparbeit mit dem Thema Reflexion pädagogischer Macht zu sammeln. Das bot natürlich auch die Chance, die Zusammenarbeit der jungen Menschen weiter zu verbessern und Reflexion noch mal ein gutes Stück inhaltsreicher und tiefer hinzubekommen als es bisher der Fall war. Für Piri und Kadir war es das erste Mal, einen Workshop zu derart persönlichen Themen selbst anzuleiten. Beide waren sehr aufgeregt, waren aber an das Thema auch voller Vorfreude herangegangen. Die Teilnehmer waren die anderen Partilotsen-Kollegen und Micha, der die beiden unterstützte und Feedback geben konnte. Während der Durchführung des ersten Schnupperkurses während der Planungs- und Reflexionsfahrt wurde den beiden klar, wie viel Aufwand es eigentlich benötigt und dass ihre ersten Vorbereitungen einfach noch nicht ausreichend intensiv gewesen waren. Dennoch kam auch so schon total viel rüber und die Jungs haben das Beste daraus gemacht und interessante Reflexionen und Diskussionen anregen können. Wir haben über die angeleiteten Themen tiefe Gespräche gehabt und konnten interessante Einblicke in die Methoden gewinnen. Aber vor allem haben wir uns selbst in unserer Gruppe noch mal viel besser kennengelernt. Das Arbeitsklima hat sehr gut gepasst (und das Essen war überaus lecker).

Den zweiten Teil der Nutzung der Methoden auf unserer Planungs- und Reflexionsfahrt hat Kadir nach einer für ihn doch sehr stressigen Woche umgesetzt. Dafür, dass er ziemlich viel Stress im Voraus hatte, war der Workshop dann ganz schön deep. Das Thema war diesmal Adultismus und unsere eigenen Erfahrungen damit. Dass wir einige Themen im Laufe unserer Zusammenarbeit schon einmal angeschnitten hatten, machte nichts, denn es schien so, als wären die Erfahrungen, die im Workshop gemacht wurden, wieder hautnah an allen dran.

Durch das vertiefte Rückbesinnen und Erinnern an die eigene  Kindheit sind spannende Gefühle und Aussagen reflektiert worden. Auch, dass wir schon lange zusammenarbeiten, stand uns nicht im Weg, im Gegenteil sogar. Darüber hinaus war es sehr spannend, noch mehr Dinge über uns zu erfahren, die sonst in unserer alltäglichen Zusammenarbeit gar nicht so in der Form aufgetaucht sind. 

Jedoch stellte es Kadir vor eine Herausforderung die Regeln der Zusammenarbeit bzw Arbeitsweise klarzustellen, da wir schon viel miteinander zusammengearbeitet hatten. Zum Glück haben wir über die Jahre ein gutes gemeinsames Arbeitsklima entwickeln können, weshalb es auch ohne dabei so in die Tiefe zu gehen klappte. 

Während der Durchführung des Schnupperkurses wurde Kadir klar, wie viel Aufwand es eigentlich ist, einen wirklich sehr guten Workshop vorzubereiten und durchzuführen. Vor allem nach einer so anstrengenden und vollen Woche war es eine krasse Herausforderung. Zum Glück gab’s leckeres Essen und eine schöne Umgebung, was Kadir sehr unterstützt hat. Kadir hat für sich erkannt, wie wichtig es ist, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und wie sich diese auch positiv auf die Arbeitsergebnisse auswirken kann. Ich glaube auch die tolle Atmosphäre hat sehr zum tieferen Einstieg in die Themen beitragen können. 

Schnupper-Workshops zur Reflexion pädagogischer Macht

Insgesamt sind mittlerweile vier Schnupperworkshops mit unterschiedlichen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche vereinbart worden, von denen im November 2022 die ersten zwei stattgefunden haben. Alle Schnupperworkshops gingen über 3,5 Stunden bis 4,5 Stunden. Bei den Sporttrainerinnen vom TSV-Wittenau, unserem Kooperationspartner, kam der Schnupperworkshop sehr gut an und bei den Teilnehmenden war der unbedingte Wunsch geweckt an einer Fortbildungsreihe im nächsten Jahr teilnehmen zu wollen. Piri und Kadir haben sich nach einer speziellen Vorstellungsrunde dazu entschlossen eine Übung im Mittelpunkt zu stellen die es möglich macht sich in sehr vertiefter Form daran zu erinnern, was zu einem selbst gesagt wurde, weil man noch ein Kind war oder weil man noch jünger war und danach zu versuchen nachzuvollziehen welche Gefühle man damit heute noch in Verbindung bringt. Es ging also um wirkmächtige Sätze, die den allermeisten von uns einfallen. Das sind (leider) meist eher destruktive Sätze, die die meisten von uns allzu gut kennen. Sätze wie “Solange du die Beine unter unseren Tisch stellst…..”, “Wenn der Kuchen spricht, hat der Krümel zu schweigen.”,  “Das verstehst du noch nicht!” aber auch scheinbar konstruktive Sätze sind manchmal dabei wie: “Du kannst alles schaffen, was du willst….” “Ich traue dir das zu…” Teilnehmende sind sich zumeist sicher, dass die Erinnerungen an das damals Gesagte oder Getane Auswirkungen hatte oder sogar noch immer hat. Darüber noch einmal nachzudenken, war dann der nächste Schritt in unserem Schnupperworkshop. Zuletzt wurde überlegt, was jeder damals gebraucht hätte, um über Gefühle reden zu können oder um mit diesen umgehen zu können. Miniinputs zum Thema Macht und soweit es sich unterbringen lies auch zum Thema Adultismus rundeten das Ganze ab. Die Übung kann sehr tief werden und ist in jeder Gruppe etwas anders. Die meisten Teilnehmenden sind dann dankbar und auch oft etwas aufgewühlt. Man wird zum Nachdenken auch dann angeregt, wenn man sich nicht selbst mit eigenen Erfahrungen sehr tief einbringen will. Das passiert in man über die Gedanken, Gefühle und Erfahrungen der anderen nachdenkt. Denn das wird zu Beginn noch mal deutlich gemacht. Alle müssen auf sich insoweit achten, dass nur so viel von sich preisgegeben wird, wie sich das für die jeweilige Person richtig anfühlt. Insbesondere unser zweiter Schnupperworkshop mit einer Jugendgruppe aus einer Jugendfreizeiteinrichtung in Spandau und mit Jugendarbeiter:innen, die die Gruppe betreut, war toll. In der Gruppe haben viele etwas von sich Preis gegeben und waren froh, so viel Vertrauen in die Gruppe haben zu können, das auch machen zu können und sich weiter als gewöhnlich öffnen zu können. Für einige war es auch herausfordernd, über andere zu erfahren, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Alle haben sich an diesem Abend noch besser kennengelernt und gelernt, einander mehr zu schätzen. Als Gruppe sind sie sich noch ein Stück näher gekommen. Alle Schnupperworkshops enden mit einem Feedback mit mehreren Fragen. Den ganzen Workshop runden kleine Übungen ab. 

Wir freuen uns auf die nächsten Schnupperworkshops und auf die Gestaltung eines mehrtägigen Workshops mit weiteren Bausteinen zur Reflexion pädagogischer Macht. 

Dank des Jugenddemokratiefonds konnten wir dieses Projekt umsetzen.

www.stark-gemacht.de