Fachtag für Partizipation & Beteiligung

In der Rückschau auf den Fachtag “Partizipation und Beteiligung” von Anfang Herbst wird auch deutlich, dass die vielen wichtigen Impulse und Denkanstöße auf die Zukunft gerichtet sind und damit auch nach der Veranstaltung mit Leben gefüllt werden müssen. In diesem Artikel soll auf die sehr bereichernden Impulsvorträge von Prof. Dr. Mechthild Wolff, Moritz Schwerthelm, Prof. Dr. Markus Gloe und Prof. Dr. Annelore Prengel zurückgeblickt werden, weil sie sehr reichhaltig sind und aus ihnen viel für die Beteiligung von jungen Menschen mitzunehmen ist.

Frau Prof. Dr. Wolff betont in ihrem Input “Macht und Machtmissbrauch in Institutionen”, dass Macht in Institutionen zunächst einmal ein allgegenwärtiges Phänomen sei. Hinsichtlich jungen Menschen müsse man reklamieren, dass diese verletzlicher seien, weil sie nicht über die gleichen Machtmittel verfügen, wie es die Erwachsenen tun. So seien sie, wie Prof. Dr. Wolff beschreibt in einer strukturell marginalisierteren Position und das aus ganz verschiedenen Gründen. Kinder und Jugendliche verfügten über weniger Orientierungswissen als Erwachsene, sie hätten im Gegensatz zu Erwachsenen viel seltener die Deutungshoheit und sie sind beispielsweise durch die oft fehlende Entscheidungsmacht viel abhängiger von Erwachsenen. Hieraus ergebe sich die Konsequenz, dass in allen helfenden und unterstützenden Beziehungen und damit besonders in der öffentlichen Bildung und Erziehung unter dem Paradigma des Vertrauens bei gleichzeitig bestehenden Abhängigkeiten die Gefahr des Machtmissbrauchs besonders groß sei. Beteiligung sei damit gerade auch deshalb so entscheidend, weil hier ein Ausgleich geschaffen werden müsse und wieder echte Augenhöhe entstehe.

 “Beteiligung muss auch nicht begründet werden. Beteiligung ist ein unveräußerliches Menschenrecht. Als Erwachsene müssen wir uns fragen, was muss ich dafür tun, dass sich das Kind beteiligen kann. Ich muss mir überlegen, was ist mein Job, damit das Kind von seinem Recht Gebrauch machen kann. Kinder und Jugendliche sind keine Objekte von Planungen und Entscheidungen Erwachsener, sondern sie sind Träger*innen eines subjektiven und unveräußerlichen Rechtes auf Beteiligung und Beschwerde.” (Prof. Dr. Mechthild Wolff)

In seinem Vortrag “Partizipation in der Jugendarbeit” fokussiert Moritz Schwerthelm besonders auch auf die politische Dimension von der Ermöglichung von Partizipation.

„Kinder und Jugendlichen Demokratiebildung zu ermöglichen bedeutet eigentlich auch immer ihnen demokratische Rechte und Verfahren der Mitentscheidung zu eröffnen. Also Demokratiebildung durch Ausübung demokratischen Handelns und die Reflexion dieses Handelns.“ (Moritz Schwerthelm)

Soziale Teilhabe und politische Teilnahme stünden, so Schwerthelm, in einem engen wechselseitigen Zusammenhang. Dies werde zum Beispiel deutlich, wenn man sich anschaut, dass soziale Ungleichheit, also fehlende Teilhabe auch zu politischer Ungleichheit führe, also fehlender Teilnahme. Diese unterschiedlichen Chancen und Möglichkeiten an der Gesellschaft und dem Politischen teilzunehmen, die sich danach strukturierten, wo und wie man aufwächst, seien ein Anknüpfungspunkt für partizipative Verfahren, in denen junge Menschen selbst in ihrer Sprache und mit ihren Themen zu aktiv gestaltenden Subjekten werden können. Dafür bedürfe es Freiräume und keine komplett durchorganisierte Partizipation, ebenso wie Übergänge, Kooperationen und Verknüpfungen mit dem kommunalen Sozialraum der jungen Menschen, da gerade hier die relevanten Entscheidungen für ihre konkrete Lebenssituation getroffen würden.

“wenn wir Kompetenzorientierung (…) ernst nehmen, dann könnten wir eigentlich auch Lehrpläne abschaffen, die sie ja als aufgesetzt und oktroyiert irgendwie finden, weil es ja um Fähigkeiten und Fertigkeiten geht, die die Schülerinnen und Schüler ja in unterschiedlichen Problemlagen irgendwie anwenden sollen und dann nehme ich doch das, was ihnen unter den Nägeln brennt und nicht, was irgend’ne Kommission irgendwo mal festgesetzt und festgeschrieben hat.” (Prof. Dr. Markus Gloe)

Prof. Dr. Markus Gloe erläutert in seinem Impulsvortrag “Partizipation in der Schule, dass sein Ideal das Ideal einer starken partizipativen Demokratie ist, die politische Mitbestimmung, Mitwirkung und Mitgestaltung möglichst vieler in vielen Bereichen in möglichst umfassenden Sinn fordert und fördert. Schaut man in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention, lasse sich weiter präzisieren, dass erst wenn Kinder und Jugendliche an Entscheidungen mitwirken, die sie betreffen, wenn sie in wichtigen Belangen mitbestimmen und auf diese Weise aktiv ihre Lebensbereiche mitgestalten, von Partizipation im eigentlichen Sinne die Rede sein könne. Aktuelle Studien dazu, wie Schüler*innen das selbst in der Schule so erleben, zeichneten nach Prof. Dr. Gloe ein sehr ernüchterndes Bild. Dabei gebe es ja eigentlich Konzepte und Methoden wie Lernen durch Engagement, mit denen dies gut und konkret umgesetzt werden könnte. Es gelte Schüler*innen über einen demokratischen Unterrichtsstil, die Kommunikation auf Augenhöhe und die Entwicklung einer gemeinsam geteilten Ausgangslage zu ermächtigen und ihnen zu ermöglichen, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen und sich dann für diese einzusetzen und dafür einzutreten. 

In ihrem Impulsvortrag “Reflexion pädagogischer Beziehungen” stellt Frau Prof. Dr. Annelore Prengel das “Regelbüchlein” der Reckahner Reflexionen vor. Sie betont die enorme Bedeutung davon, dass Kinder und Jugendliche wertschätzend angesprochen und behandelt würden. Es sei entscheidend, bei Rückmeldungen zum Lernen das Erreichte zu nennen und darauf zu fokussieren. In der Didaktik, im unmittelbaren Lernprozess müsse die Anerkennung verankert sein. Das soziale Lernen und der inhaltliche “Stoff” seien keine zwei voneinander trennbare Elemente. Vielmehr müsse das Wertschätzen beim Lernen immer die zentrale Rolle spielen, was mit der positiven Frage “Was kannst du jetzt? ausgedrückt werden kann. Neben der wertschätzenden Kommunikation gebe es weitere Regeln, die in den Reckahner Reflexionen festgehalten sind und die für ein gelingendes Miteinander in Reflexion der pädagogischen Beziehungen zentral seien. Eingerahmt werden sie von der goldenen Regel, “Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu.”.

Wir als Beteiligungsfüchse geben uns große Mühe in unseren Projekten und Angeboten diese inhaltlichen Impulse ganz praktisch mit Leben zu füllen und freuen uns sehr über die Anregungen und den bereichernden Austausch von Konzepten und Ideen dazu.